Es waren nur Zentimeter an diesem Dienstagabend an der Castroper Straße. Armel Bella-Kotchap hatte gegen die Bayern ein fantastisches Spiel gemacht, nun wollte er, kurz vor Ende der regulären Spielzeit einen Rückpass zu Torwart Manuel Riemann spielen. Eine einfache Aufgabe, eigentlich, tausendfach eingeübt. Aber diesmal ging etwas schief.
Armel Bella-Kotchap erlebte einen der bittersten Tage seiner jungen Karriere bereits mit 17 Jahren. Am 29. Oktober 2019 spielte der Innenverteidiger mit dem VfL Bochum in der zweiten Runde des DFB-Pokals gegen den FC Bayern. In Durchgang eins war der VfL in Führung gegangen, bis kurz vor Schluss stand es 1:1. Dann, in der 88. Minute, unterlief ihm dieser folgenschwerer Fehler. Er traf den Ball nicht. Mit letzter Kraft, das Unglück schon erahnend, spitzelte er den Ball dem heranstürmenden Thomas Müller noch vom Fuß – allerdings: mit der Hand. Der 17-Jährige sah folgerichtig die Rote Karte. Zu allem Überfluss kassierte Bochum kurz darauf noch das 1:2 und schied aus.
Bochumer Rekordabgang
Bekanntlich ging es mit dem VfL danach steil bergauf. 2021 gewann Bochum die Zweitliga-Meisterschaft und feierte im Jahr darauf einigermaßen sensationell den Klassenerhalt in der Bundesliga. Und mittendrin: Armel Bella-Kotchap. Der Aufstieg des Innenverteidigers ging danach sogar noch weiter. Für die Bochumer Rekordablösesumme von über zehn Millionen Euro wechselte er in die Premier League zum FC Southampton und könnte das Jahr bald mit seinem Debüt in der A‑Nationalmannschaft krönen.
Wirklich überraschend an seinem Werdegang ist aktuell nur die Geschwindigkeit, mit der er vonstattengeht. Schon seit seinem Profidebüt im April 2019 wird Bella-Kotchap allerorts als Riesentalent bezeichnet und rein fußballerisch bringt er auch alles dafür mit. Vor allem seine Physis beeindruckt. Bella-Kotchap ist 1,90 Meter groß, körperlich robust und extrem schnell. Im Zweikampf ist der 20-Jährige abgeklärt, schirmt Bälle kompromisslos ab und scheut sich nicht, auch als letzter Mann in risikoreiche Zweikämpfe zu gehen. Sein Spiel gegen den Ball hat dabei oft sogar eine spektakuläre Note. Sowohl in Bochum, als auch in Southampton überzeugte der Innenverteidiger mit seinem Vorwärtsverteidigen, das häufig etwas ungestüm wirkt, und dennoch fast immer erfolgreich ist.
Ähnliche Bedingungen in Southampton
Bei Southampton hat Bella-Kotchap seit dem zweiten Spieltag jede Minute absolviert. Er sei selbst davon überrascht gewesen, wie schnell er sich in der Mannschaft festgespielt habe, gab er auf dem YouTube-Kanal der „Saints“ zu. Bei der Eingewöhnung hätten ihm gleich mehrere Faktoren geholfen. Zum einen lebt er in Winchester in direkter Nachbarschaft zu seinen Mitspielern Mohammed Salisu, Romain Perraud und Moussa Djenepo. „Das hat es für mich einfach gemacht“, sagt er. „Sie sind jetzt schon wie eine Familie für mich.“
Zum anderen unterscheiden sich einige Bedingungen in Southampton bei genauerem Hinsehen gar nicht so sehr von denen in Bochum. So hat Bella-Kotchap in Ralph Hasenhüttl ebenfalls einen deutschsprachigen Trainer. Und Mohammed Salisu ist nicht nur sein Nachbar, sondern auch sein fester Partner in der Innenverteidigung. Der Ghanaer ist 23, ebenfalls schnell und zweikampfstark. Damit hat es Bella-Kotchap mit einem ähnlichen Partner zu tun, wie er ihn bei Bochum in Maxim Leitsch an der Seite hatte. Zu Gute kommt ihm mit Sicherheit auch, dass Southampton sich in den vergangenen Jahren immer im hinteren Mittelfeld der Premier League platzierte – Wunderdinge wird von Bella-Kotchap dort also erst einmal niemand erwarten.

Mentalität als große Baustelle
Die größte Baustelle im Spiel des Verteidigers war bislang häufig seine Einstellung. In der vergangenen Saison flog er beispielsweise wegen schlechter Trainingsleistung aus Bochums Kader für den Bundesligaauftakt beim VfL Wolfsburg. Auch danach verlief seine Hinrunde holprig. Die Leistungen schwankten, Bella-Kotchap spielte vom achten Spieltag bis zur Winterpause nur noch zwei Minuten. In der Rückrunde lieferte er an der Seite von Leitsch dann eine ganze Reihe starker Partien und leistete seinen Beitrag zum Klassenerhalt der Bochumer. Das entscheidende Spiel dafür fand allerdings erneut ohne ihn statt. Aus disziplinarischen Gründen strich Thomas Reis ihn vor dem Spiel bei Borussia Dortmund aus dem Kader, dem 4:3‑Sieg seiner Mannschaft musste er von der Tribüne aus ansehen.
Der Junge aus dem Ruhrgebiet schien mit irritierend großem Leichtsinn ins Profileben zu starten. Er, Sohn des ehemaligen Zweitligaprofis Cyrille Florent Bella, hatte in einer Homestory sein Schlafzimmer präsentiert, inklusive VfL-Bochum-Bettwäsche. Dass er in Bochum nun seinen Traum lebte – manches Mal war ihm das nicht anzumerken. Auch sein neuer Coach Ralph Hasenhüttl verriet in einer Pressekonferenz, dass er Bedenken gehabt hätte aufgrund der Mentalität des Innenverteidigers. „Aber es scheint, dass die Premier League für ihn so interessant und so fordernd ist, dass er sich voll darauf konzentriert.“
Flick lobt Bella-Kotchaps Entwicklung
Seine Leistungen in der aktuellen Saison scheinen nun auch Bundestrainer Hansi Flick überzeugt zu haben. In der Kadervorstellung lobte der Nationaltrainer explizit Bella-Kotchaps Entwicklung. „Danny Röhl hat ein Spiel in Southampton besucht und war überrascht von der Entwicklung, die er genommen hat.“ Der Zeitpunkt seiner Nominierung ist durchaus ein Statement, schließlich absolviert die Nationalmannschaft gegen Ungarn und England ihre letzten Länderspiele vor dem Beginn der Weltmeisterschaft. Die Konkurrenz in der Innenverteidigung ist aber riesig und auch der Bundestrainer gab sich bedeckt: „Wir nutzen die acht Tage, um ihn zu sehen.“
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