Als Ende Juli der Spiel­plan für die neue Saison publik wurde, da war die Fuß­ball­welt am La Plata-Fluss noch in Ord­nung. Der Sai­son­be­ginn wurde für den am 14. August ter­mi­niert, und die Vor­freude bei den Fans war bereits groß.

Als die Ver­ei­ni­gung argen­ti­ni­scher Fuß­ball­profis (FAA) anmahnte, dass die Ver­eine Schulden in Mil­lio­nen­höhe hätten und eine Ver­schie­bung des Sai­son­starts for­derte, bis wenigs­tens die Schulden bei ehe­ma­ligen Spie­lern bezahlt seien, störte das nie­manden. Solche Mel­dungen gehören zum übli­chen Pro­gramm einer Sai­son­pause. Dass die Mehr­heit der Ver­eine auf­grund jah­re­langer Miss­wirt­schaft finan­ziell marode sind, ist all­seits bekannt. Die Löcher im Budget werden zumeist durch Spie­ler­ver­käufe gestopft, etwa 50 Pro­zent des jähr­li­chen Etats ergibt sich aus Trans­fer­er­lösen.

Lizen­sie­rungs­ver­fahren: Fehl­an­zeige

Dieses Jahr erlitt der Trans­fer­markt zwar eine Baisse, denn die euro­päi­schen Spit­zen­klubs drückten mit dem Wissen um die Not­lage der Ver­eine den Preis. Da aber die Trans­fer­pe­riode in den Haupt­ex­port­zielen Spa­nien und Ita­lien noch bis Ende August andauert, gab es bei den Ver­einen kein Grund zur Besorgnis. Was sollte auch pas­sieren, in einer Liga, die ohne Finanz­kon­trolle agiert? Lizen­sie­rungs­ver­fahren: Fehl­an­zeige. Falls alles schief gehen sollte, würde, wie in den letzten Jahren bereits geschehen, der argen­ti­ni­sche Fuß­ball­ver­band AFA nach­helfen, damit der Spiel­be­trieb wei­ter­gehen kann.

Doch aus­ge­rechnet AFA-Prä­si­dent Julio Gron­dona sorgte für den Pau­ken­schlag. Er ließ den Termin für den Sai­son­start auf unbe­stimmte Zeit ver­schieben, damit das Schul­den­pro­blem »von Grunde auf« gelöst werde. Experten über­raschte der plötz­liche Schul­ter­schluss des mäch­tigsten Mannes im argen­ti­ni­schen Fuß­ball mit der Spie­ler­ver­ei­ni­gung FAA, deren Belange ihn zuvor wenig bis gar nicht berührt hatten. Bereits da hieß es, Gron­dona plane im Hin­ter­grund gewiss einen grö­ßeren Coup. Der AFA-Boss hat in der Ver­gan­gen­heit schon häu­figer undurch­sich­tige Geschäfte betrieben und ist an ver­schie­denen Firmen betei­ligt, die von der Ware Fuß­ball lukrativ pro­fi­tieren. Bereits seit 30 Jahren regiert Gron­dona als AFA-Prä­si­dent den argen­ti­ni­schen Fuß­ball, Gegen­wind hat er nicht zu befürchten. Die Prä­si­denten der Klubs sind ihm wei­test­ge­hend hörig, pro­fi­tieren doch auch sie davon, wenn »Don Julio« in Zeiten finan­zi­eller Not­lage aus einem omi­nösen Son­der­topf des Fuß­ball­ver­bands mit Mil­lio­nen­zah­lungen ein­springt. Ver­suche von Jour­na­listen und Anwälten, die Machen­schaften Gron­donas auf­zu­de­cken, schei­terten stets an Ein­schüch­ter­rungen oder Ver­leum­dungs­kam­pa­gnen gegen die Inves­ti­ga­toren. Nur wer nicht vom Fuß­ball leben muss, spricht offen von mafiösen Machen­schaften.

Nicht mafiös, aber doch ein wenig merk­würdig mutete auch der erste Lösungs­vor­schlag an, den Julio Gron­dona parat hatte, um die aktu­ellen Zah­lungs­pro­bleme der Ver­eine zu lösen. Mit Hilfe von Ein­nahmen aus Sport­wetten sollte die Finanz­krise wieder kor­ri­giert werden. Dies hätte einer Auto­ri­sie­rung sei­tens der staat­li­chen Lot­te­rie­ge­sell­schaft bedurft, doch die Regie­rung schloss aus, dass dies­be­züg­lich eine schnelle Lösung mög­lich sei. »Der Fuß­ball solle seine Pro­bleme selbst lösen«, hieß es damals.

Es dau­erte nicht lange, bis Gron­dona einen Schul­digen an dem Finanz­pro­blem gefunden hatte: Das Fern­sehen, das ein­fach zu wenig zahle. Seit 1991 besteht ein Ver­trag zwi­schen dem Medi­en­kon­sor­tium TSC und der AFA über die Über­tra­gungs­rechte. Gron­dona selbst hatte die Ver­trags­be­din­gungen aus­ge­han­delt und vor zwei Jahren erneuert. Knapp 50 Mil­lionen Euro sollten die Ver­eine in der kom­menden Saison für die Spiel­über­tra­gungen erhalten, die in Argen­ti­nien aus einem Mix aus Pay-per-view und Kabel­fern­sehen aus­ge­strahlt werden. Trotz bestehenden Ver­trages bis 2014 for­derte Gron­dona nun die Ver­dopp­lung der Bezüge. TSC und der Kabel­an­bieter TyC pochten auf den Ver­trag, boten aber eine Zah­lung von 7,5 Mil­lionen Euro an, damit die Ver­eine ihre Schulden bezahlen und der Spiel­be­trieb pünkt­lich zum 14. August starten könne. Gron­dona lehnte ab. Der Kabel­an­bieter TyC, der bisher die Spiele aus­strahlte, lud die Ver­eins­prä­si­denten zu einer Sit­zung am Dienstag dieser Woche ein, um ihnen die bestehenden Ver­träge vor­zu­legen und über die Kon­se­quenzen des Ver­trags­bruchs auf­zu­klären, denn dies habe Gron­dona nie getan.

Der Staat soll für 110 Mil­lionen ein­steigen

Julio Gron­dona trom­melte dar­aufhin die Ver­eins­oberen kur­zer­hand einen Tag früher zusammen, um ihnen seine Pläne zu prä­sen­tieren. Zuvor war bereits durch­ge­si­ckert, der AFA-Boss habe ein Abkommen mit der Regie­rung geschlossen. 110 Mil­lionen Euro pro Saison soll sich der Staat in den nächsten 10 Jahre die Über­tra­gungs­rechte kosten lassen. Bezahlt wird das ganze aus Steu­er­gel­dern. Nur zwei­ein­halb Stunden dau­erte die Tagung, ein­stimmig beschlossen die Klub­chefs, den bestehenden Ver­trag mit TSC zu kün­digen, die von TyC ein­ge­ru­fene Ver­samm­lung wurde boy­kot­tiert. Nach einer wei­teren Sit­zung ges­tern Abend wurde das Vor­haben nun offi­ziell bestä­tigt, die TV-Rechte werden neu ver­han­delt. Ansonsten gab man sich noch bedeckt. Mög­lich, dass den Zuschlag das staat­liche Fern­sehen bekommen werde, hieß es.

Die Ver­kün­dung, dass nun bald jeder auch ohne teure Kabel­ge­bühren Fuß­ball schauen könne, bleibt also der amtie­renden Regie­rung von Cris­tina Kirchner vor­be­halten. Die Prä­si­dentin sowie ihr Ehe­mann und Vor­gänger Nestor brau­chen drin­gend popu­läre Mel­dungen, um den bei der Bevöl­ke­rung ver­lo­renen Kredit wieder ein­zu­holen. Bei den Kon­gress­wahlen im Juni gab es eine klare Nie­der­lage für die Kirchner-Partei. Die Prä­si­dent­schafts­wahlen stehen 2011 an, und der Kirchner-Klan plant eine wei­tere Amts­pe­riode ihrer Pero­nis­ti­schen Partei.

Zudem ist der Deal auch ein Schlag der Kirch­ners gegen die Clarin-Gruppe, das größte pri­vate Medi­en­kon­sor­tium des Landes. Clarin besitzt 50 Pro­zent an TSC. Die Kirchner ver­su­chen bereits seit län­gerem gegen die mäch­tige Clarin-Gruppe vor­zu­gehen, ent­spre­chende Gesetz­ent­würfe schei­terten aber bisher. »Fuß­ball für alle« wird nun schon bald die Medi­en­ab­tei­lung der Kirchner-Partei ver­künden. Der staast­s­ei­gene Sender »Canal 7« soll einen Groß­teil der Spiele über­tragen, frei emp­fangbar für alle. Die Oppo­si­tion pro­tes­tiert bereits ange­sichts der wach­senden Armut im Land und großer Finanz­lö­cher im Budget des Bil­dungs- und Sozi­al­sek­tors. Ob der Plan der Kirch­ners, mit dieser popu­lis­ti­schen Aktion auf Stim­men­fang zu gehen, gelingt, ist selbst im Fuß­ball ver­rückten Argen­ti­nien nicht sicher.

Der 77-jäh­rige Gron­dona braucht sich dagegen keine Sorge um eine Wie­der­wahl zu machen mit dem neu gestärkten Ruf eines selbst­losen Kämp­fers für das Wohl der Ver­eine. Wie genau es nun wei­ter­geht ist aller­dings noch unge­wiss. Es gilt bereits als zwei­fel­haft, dass »Canal 7« die Fuß­ball­über­tra­gung meis­tern kann, da dem Sender das tech­ni­sche Equip­ment und Know-How fehlen. Nichts­des­to­trotz soll der 1. Liga-Fuß­ball am 21. August wieder beginnen, mit oder ohne Fern­sehen.

Der AFA droht nun eine teure Kla­ge­welle sei­tens TSC, das bereits ein gericht­li­ches Ver­fahren ankün­digte. Zudem dürfte inter­es­sant sein, wie die Fifa reagiert, die in der jüngsten Ver­gan­gen­heit Sus­pen­die­rungen aus­sprach, wenn sich der Staat in die Arbeit der Fuß­ball­ver­bände ein­mischte.

Für Sepp Blatter könnte der Fall in Argen­ti­nien zur Zer­reiß­probe werden, denn Julio Gron­dona ist nicht nur sein lang­jäh­riger Freund, son­dern auch Vize-Prä­si­dent der Fifa.

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